Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften

Was bedeutet Trumps Wahlsieg für uns? Ein Interview mit Politikwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Maria Behrens

Seit Mittwochvormittag steht fest: Donald Trump wird der 49. Präsident der Vereinigten Staaten. Politikwissenschaftlerin Maria Behrens darüber, warum das nicht überraschend ist und wie viel Trump wir – etwa im Hinblick auf seine geplanten hohen Importzölle – hier in Europa und im Bergischen spüren könnten.

Mit welchem Bauchgefühl haben Sie in den letzten Stunden, bevor das Wahlergebnis feststand, die Nachrichten verfolgt, Frau Behrens?

Maria Behrens: Als Politikwissenschaftlerin habe ich mit dem Ergebnis gerechnet. Zwar knapper und nicht so eindeutig, aber eigentlich hat alles darauf hingedeutet, dass Trump es wird. Als europäische Bürgerin und Weltbürgerin habe ich natürlich gehofft, dass die Wissenschaftlerin in mir nicht Recht hat.

Wenn man Bilder des Wahlkampfs etwa in den Sozialen Medien verfolgt hat, dann hat man die riesigen Menschenmassen bei Kamala Harris‘ Rallyes gesehen, die sie feiern und auch ein Promi nach dem nächsten hat sie unterstützt. Was hat denn nun doch – wie Sie gerade sagten – auf Trumps Sieg hingedeutet?

Behrens: Tatsächlich hat Trump die Sozialen Medien besser bedient als Harris. Er hat mit einem berühmten Podcaster eine Folge aufgezeichnet, mit dem er Millionen von Menschen erreicht hat. So viele Rallyes hätte Harris gar nicht durchführen können. Bei dem Wahlkampf kam es eigentlich weniger auf Inhalte an, sondern auf Performance, die Erzeugung von Aufmerksamkeit und da war es offensichtlich egal, ob das über Fake News, Lügen oder Beleidigungen passiert. Er hat die Aufmerksamkeit erzeugt und die ganze Zeit auf einem hohen Level halten können. Ein anderes Problem: Trump kommt authentisch rüber. Bei Harris hat man den Eindruck, dass vieles einstudiert sei. Auch hat man ihr – gerade im ländlichen Raum – nicht abgenommen, dass sie dort wirklich für die weißen Männer steht. Sie ist eine Städterin aus Kalifornien und die ländlichen Gebiete hat sie überhaupt nicht gewinnen können. Auch die Inflation hat vielen Bürgern einiges abverlangt und das hat man dann der Biden-Administration in die Schuhe geschoben, obwohl die eigentlich nichts dafür konnte.

Apropos Lügen und Beleidigungen: Vor kurzem hat Team Trump noch Puerto Rico als Insel aus Müll bezeichnet, heute wählen mehr Hispanics Trump als etwa noch 2020. Wie passt das zusammen?

Behrens: Weil auch sie das Gefühl haben, dass sie sich wirtschaftlich unter Trump besser stellen können. Das ist die Illusion.

Geografisch trennt uns der große Teich noch von den USA, politisch und wirtschaftlich aber natürlich nicht. Wie viel Trump wird hier bald zu spüren sein?

Behrens: Wenn wir uns die EU mal anschauen, dann wird die Wahl Trumps die zentrifugalen Kräfte noch dynamisieren. Wir haben jetzt schon Ungarn, die eher zu Putin schauen, andere Staaten setzten wiederum immer noch voll auf transatlantische Beziehungen und werden sich eher vorsichtig verhalten, darunter auch etwa Deutschland. Auch aus wirtschaftlichen Gründen wird Deutschland sich vorsichtig verhalten, als Exportnation sind wir extrem abhängig von den USA. Und es wird Staaten geben, die sich von den USA abwenden. Es wird dann natürlich noch schwieriger sein, so etwas wie eine europäische Position zu entwickeln, vor allem, da es etwa um die französisch-deutschen Beziehungen im Moment nicht gut steht. Diese wäre aber – auch zusammen mit Polen – nötig, um die Außenpolitik Trumps aufzufangen, und das sehe ich momentan nicht.Die deutsche Regierung wird in vielen Punkten mit Trump sanft umgehen und ihm entgegenkommen, um Zölle – Stichwort Automobilindustrie – abzuwenden.

Und um nun noch etwas lokaler zu werden: Welche Entwicklungen könnten wir hier im Tal spüren?

Behrens: Da ist die Frage, inwieweit sie, wenn das mit den Zöllen tatsächlich realisiert wird, betroffen sind. Die Wirtschaft ist transnational, wir haben Lieferketten, und insofern ist auch ein Unternehmen in Wuppertal oder Solingen davon betroffen. Ich möchte das aber nicht alles zu dramatisch zeichnen. Man muss immer auch beachten, dass solche Zölle für die USA auch nach hinten losgehen können. Die EU ist zwar sicherheitspolitisch überhaupt nicht gut aufgestellt, wirtschaftspolitisch ist aber schon ein Sanktionspaket auf den Weg gebracht worden. Wenn Trump also tatsächlich seine Zölle in Höhe von zehn bis 20 Prozent erheben sollte, drohen ihm Gegenzölle. Und das wird er mit berechnen müssen. Er ist kein Politiker und auch kein Volkswirt. Er ist Unternehmer. Und er macht eine Kosten-Nutzen-Analyse. Und die hängt davon ab, wie empfindlich wir Sanktionen gegenüber der Zollpolitik der USA in der EU formulieren können. Insofern muss es nicht zum Schlimmsten kommen.

Soeben habe ich Sie nach Ihrem Bauchgefühl der letzten Stunden gefragt. Nun würde mich zum Abschluss noch Ihr Bauchgefühl mit Blick auf die nächsten vier Jahre interessieren.

Behrens: Ich habe kein gutes Bauchgefühl, das ist völlig klar. Ich mache mir massive Sorgen um die Ukraine, hier werden Geld- und Waffenliefererungen ausbleiben, außer, es wird entsprechend gezahlt und da sind wir wieder bei Trump als Unternehmer. Ich mache mir auch Sorgen um das internationale Völkerrecht. Bisher hat Machtpolitik immer eine Rolle gespielt. Zu sagen, das Völkerrecht hätte dominiert, trifft einfach nicht zu. Aber das Völkerrecht hatte immer noch eine zähmende Wirkung, etwa, wenn wir uns die UN oder die Welthandelsorganisation anschauen. Und ich fürchte, dass jetzt die brutale Macht- und Geopolitik zum Tragen kommt und dass die Zeit des Multilateralismus vorbei ist. Internationale Kooperationen sind angestrebt worden, um Konflikte zu befrieden. Wenn wir uns also von multilateralen Organisationen und Abkommen verabschieden, sind wir tatsächlich in einer großen internationalen Konfliktsituation. Ansonsten kann man in vielen Bereichen noch gar nicht so viel darüber sagen, wie er sich verhalten wird – bis auf die internationale Klimapolitik, da haben wir nicht mehr mit der Unterstützung der USA zu rechnen. Und das betrifft dann auch uns in Wuppertal.

Quelle: Westdeutsche Zeitung, 06.11.2024

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